Monat: Mai 2020

Das sog. „Kohn-Papier“ aus dem BMI

Warum reagiert die Politik so allergisch und nervös auf das 80 Seiten umfassende Kohn-Papier aus dem Bundesministerium des Innern, in dem vor „gesundheitlichen Kollateralschaden“ iVm den staatlichen „Maßnahmen und Beschränkungen in der Coronakrise 2020“ gewarnt wird? Dort steht, dass aufgrund der wegen Corona verschobenen Operationen bis zu 125.000 Patienten sterben werden oder schon gestorben sind.

Prof. Stefan Hockertz bestätigt die Zahlen des Kohn-Papiers. Im März und April wurden an deutschen Kliniken „90 % aller notwendigen OPs verschoben“. 2,5 Mio. Patienten seien damit nicht versorgt worden. Wenn nur 5 % der Betroffenen durch die Nichtbehandlung gestorben sind oder noch sterben, dann sind das 125.000 Tote zusätzlich.

Prof. Peter Schirmacher, Chefarzt für Pathologie in Heidelberg und Mitglied der Leopoldina-Akademie, die auch die Bundeskanzlerin berät, empfiehlt, das Kohn-Papier ernst zu nehmen und „die Richtigkeit und Angemessenheit der bisher getroffenen Maßnahmen“ zu prüfen und eine „sofortige Neubewertung“ zu veranlassen. Obwohl die in dem Papier aufgezeigten Fakten unwidersprochen bleiben, erklärt das BMI, das Papier für „gegenstandslos“ und fordert „es zu vernichten“.

Stephan Kohn, der Verfasser des Papiers und im BMI zuständig für Analysen der „Kritischen Infrastruktur“, zu der auch die „medizinische Versorgung“ gehört, wird vom Dienst suspendiert und als Außenseiter diffamiert.

Mir erscheinen die in dem Papier dargelegten Fakten logisch und die sich daraus ergebenden Forderungen an die Politik als richtig. Die Reaktion des BMI zeigt, dass hier offenbar ein „wunder Punkt getroffen wurde“. In unseren Krankenhäusern stehen Intensivbetten leer. Sie sind reserviert für Coronapatienten. Anderen Menschen, die krank sind und Schmerzen haben, werden seit Monaten notwendige Operationen verweigert. Ich kenne solche Fälle aus dem eigenen Bekanntenkreis und halte die hier praktizierte Vorgehensweise für völlig unangemessen.

Ostern 2020 und das Grundrecht auf Religionsausübung

  • Erstmals seit der Christianisierung Europas waren in der Karwoche und an Ostern Gottesdienste verboten!
  • Jetzt sollen Gottesdienste wieder erlaubt sein – aber es darf nicht gesungen werden – Ein Wahnsinn und eine klare Verletzung des Grundrechtes auf Religionsfreiheit! Singen ist ein zentrales Element christlichen Glaubens. Gebet und Gesang sind ein nicht verhandelbarer Wesenskern der Hl. Messe. Das Singen in der Kirche verbieten ist wie das Atmen verbieten. Jedes Kind weiß, dass Singen dem Wohlbefinden dient, die Psyche stärkt, das Miteinander fördert und der Seele gut tut. Gerade in der Corona-Krise sind Gebet und Gesang besonders wichtig und hilfreich.
  • Schade dass sich unsere Bischöfe staatlichen Vorgaben widerstandslos gebeugt haben statt sich zu wehren und das Grundrecht auf Religionsausübung zu verteidigen.
  • Die neueste Rechtsprechung des Saarländischen VerfGH zeigt, dass die Grundrechte der Menschen durch die Politik unverhältnismäßig stark einschränkt werden. Für viele Verbote sei der „damit erzielte Gewinn an Gesundheitsschutz nicht nachvollziehbar dargelegt“, sie seien z.T. unlogisch, „aussageleer“ und nicht gerechtfertigt, so das Verfassungsgericht. Inzwischen hat sich auch der Bayer. VGH dieser Begründung weitgehend angeschlossen.
  • Warum dürfen die Bürger – bei Wahrung des Abstandsgebotes – Aldi, Lidl und Weinhandlungen besuchen, nicht aber Gottesdienste und Buchhandlungen. Für diese unterschiedliche Behandlung wurden seitens des Staates zu keinem Zeitpunkt überzeugende sachliche Differenzierungsgründe dargelegt. Deshalb verstoßen diese Verbote eindeutig gegen das Grundrecht auf Religionsausübung. Obwohl das BVerfG die Prüfung der Verhältnismäßigkeit bei Gottesdienstverboten ausdrücklich angemahnt hat schweigen unsere Bischöfe.
  • In Österreich werden die Bischöfe von jungen Christen aufgefordert mutiger zu sein. „Ihr gehorcht dem Staat mehr als Gott“ bekommen sie zu hören. Nach vielen Jahren destruktiver Streitereien über Minderheitsthemen wie Zölibat und Frauenweihe ertönt jetzt der Ruf nach den Sakramenten. Plötzlich werden Papst-Predigten und Kardinals-Messen zu Quotenbringern in säkularen Fernsehanstalten. Gerade in der Krise wird deutlich, dass eine sich dem Zeitgeist anbiedernde Kirche irrelevant ist.
  • Wo die Kirche von Gott redet und Gottes Liebe spürbar macht, generiert sie Nachfrage – notfalls online. Die o.g. Kritik ist ein Weckruf an Bischöfe und Priester, mutig und kreativ zu sein, wenn es um die Rückkehr zur liturgischen Normalität geht. Für mich ist sie ein Beleg dafür, dass unsere Kirche viel vitaler ist als die Ordinariate, die Kirchenkonferenzen und der Synodale Weg uns glauben machen.

Nicht alles „dem Schutz des Lebens unterordnen“

„Wenn ich höre, alles andere habe vor dem Schutz des Lebens zurückzutreten, dann muß ich sagen: Das ist in dieser Absolutheit nicht richtig“, so unser Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble. Nach seiner Meinung beschränken sich die Grundrechte gegenseitig. „Wenn es überhaupt einen absoluten Wert in unserem Grundgesetz gibt“, so Schäuble weiter, „dann ist das die Würde des Menschen. Die ist unantastbar. Aber sie schließt nicht aus, dass wir sterben müssen“.

Schäuble stößt damit eine unbequeme Debatte an und warnt gleichzeitig, die mit dem Lockdown verbundene wirtschaftliche Krise allein mit Steuergeldern lösen zu wollen, denn auf Dauer, so Schäuble, „kann der Staat den Umsatz nicht ersetzen“. Dass unsere Wirtschaft bereits massiv geschädigt ist, kann nicht bestritten werden. Kritiker werfen der Regierung in diesem Zusammenhang vor, sie sei zu wissenschaftsgläubig, sie überziehe mit ihren Maßnahmen und schränke die Grundrechte der Bürger unverhältnismäßig stark ein.

Die Angst richtet wirtschaftlich und gesellschaftlich mehr Schaden an als das Virus selbst. Was, wenn Corona dazu führt, dass in der Zukunft Millionen Arbeitslose auf der Straße sitzen, der Mittelstand, der Hartz IV finanziert, nicht mehr existiert, wenn viele Restaurants für immer geschlossen haben und wir feststellen, dass das Durchschnittsalter der Corona-Toten über der durchschnittlichen Lebenserwartung in Deutschland liegt?

In einer Demokratie sind Debatten, auch wenn sie unbequem sind, alternativlos. Nur Ideologien kennen Absolutismen!